Mit dem Berufsabschluss in der Tasche konnte ich Karriere machen

Bea Nietlispach wollte in ihrem Beruf aufsteigen. Dies war der Grund, warum Sie mit 35 Jahren beschloss, das eidgenössische Fähigkeitszeugnis (EFZ) zu erwerben. Heute – 20 Jahre später – erzählt sie im Interview, wie das möglich war und wie diese Entscheidung ihre Karriere beeinflusste.

Frau Nietlispach, können Sie uns vom Anfang Ihrer beruflichen Laufbahn erzählen?
Mein Werdegang ist eher unüblich. Ursprünglich wollte ich Heimerzieherin werden, habe dann aber eine Abend-Handelsschule besucht und mehrere Jahre auf dem Büro gearbeitet. Später schloss ich die Berufsprüfung als Sozialversicherungsfachfrau ab. Dank meiner Arbeitserfahrung war dies auch ohne Lehrabschluss möglich. Irgendwann spürte ich, dass ich mich in Richtung Teamleiterin entwickeln wollte. Ich hatte da einen spezifischen Job im Kopf bei meinem heutigen Arbeitgeber. Doch die Voraussetzung für diese Stelle war ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis und das hatte ich nicht.

Sie haben den Berufsabschluss für Erwachsene also in Angriff genommen, um Ihre Chancen für einen bestimmten Job zu erhöhen?
Genau, der Abschluss hat mir diese Traumstelle nicht garantiert. Aber ich wusste, dass ich ohne Berufsabschluss definitiv keine Chance habe. Und es gab noch einen zweiten Grund. Ich habe gesehen, dass ich gleich viel leiste wie andere, aber weniger verdiente. Mir war klar, dass es ohne Berufsabschluss für mich immer so sein würde. Das wollte ich ändern.  

Wie haben Sie von der Möglichkeit erfahren, dass man auch als Erwachsene einen Berufsabschluss erwerben kann?
Das war Zufall. Eine Person aus der Nachbarschaft hat mir erzählt, dass sie als Erwachsene ein EFZ macht. Und da dachte ich «super, das mache ich auch».

Frau Nietlispach, Sie haben während Ihrer Ausbildung mit einem 100%-Pensum weitergearbeitet. Wie haben Sie das erlebt?
Ich war ja schon 35 Jahre alt, als ich mit der Schule für das EFZ startete und musste mich wieder ans Lernen gewöhnen. Die Arbeit und die Schule unter einen Hut zu bringen, war zwar herausfordernd, aber für mich auch der richtige Weg zum Ziel. 

Wurden Sie während der Ausbildung unterstützt?
Ich durfte intern mit den Lernenden in die Branchenkunde, so hat mich mein Arbeitgeber unterstützt. Abgesehen von den geschenkten Prüfungstagen habe ich die Ausbildungskosten jedoch selber getragen.

Das war also eine strenge Zeit. Inwiefern haben Sie schlussendlich vom Berufsabschluss profitiert?
Die Ausbildung hat mich fachlich auf den neusten Stand gebraucht. Und für mich persönlich war es schön, etwas zu schaffen, das ich mir selber nicht zugetraut hätte. Heute fühle ich mich wirklich gleichwertig und beruflich selbstsicher. Mich hat das Glücksgefühl, den Berufsabschluss in der Tasche zu haben, selbst total überrascht. Erst in diesem Moment ist mir bewusst geworden, dass ich darunter gelitten habe, nicht als gleichwertig wahrgenommen zu werden.

Was hat sich beruflich für Sie mit der Ausbildung verändert?
Für mich hat sich das gewünschte Karrieretor geöffnet. Ausserdem hat mich die Ausbildung motiviert, noch weiter zu machen. Heute habe ich eine verantwortungsvolle Position und bin als Teamleiterin für 13 Mitarbeitende verantwortlich. Ich habe mein berufliches Ziel erreicht und bin sehr glücklich damit.

Können Sie den Berufsabschluss im Erwachsenenalter weiterempfehlen?
Unbedingt! Für den kaufmännischen Beruf ist das sehr EFZ wichtig. Darum würde ich jedem empfehlen, einen Berufsabschluss zu machen – auch Personen, die schon im Arbeitsleben stehen. 

Bea Nietlispach

Alter: 55
Position:

Kauffrau EFZ, Teamleiterin

Voraussetzungen für einen Berufsabschluss im Erwachsenenalter

In der Schweiz gibt es rund 250 verschiedene berufliche Grundbildungen. Auch im Erwachsenenalter können Sie in jedem Beruf ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder ein eidgenössisches Berufsattest (EBA) erlangen.

Um einen Berufsabschluss zu erwerben, brauchen Sie folgende Voraussetzungen:

  • Gute Kenntnisse einer Landessprache
  • Gute Grundkompetenzen
  • Motivation und Durchhaltewillen


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