Mitarbeitende, die gefördert werden, sind motiviert und bleiben der Firma treu

Patrick Hulmann schätzt die Möglichkeit, dass auch erwachsene Berufstätige einen anerkannten Berufsabschluss erlangen können. Als Geschäftsführer einer Reinigungsfirma ist er sich des Werts gut ausgebildeter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewusst. Er weiss auch, wie wichtig ein Abschluss für die Arbeitnehmenden ist. Warum, das erzählt er im Interview.

Bevor Sie Ihre heutige Firma als Geschäftsführer übernahmen, haben Sie selbst im Erwachsenenalter einen Berufsabschluss gemacht. Warum? 
Ursprünglich hatte ich ein EFZ als Bäcker-Konditor abgeschlossen und arbeitete bereits seit einigen Jahren. Dann entschied ich mich, reisen zu gehen. Zwischen meinen Reisen arbeitete ich bei Netatec Services, dem Reinigungsunternehmen meines Onkels. 2003 schlug er mir vor, eine Aktiengesellschaft zu gründen und Anteile abzukaufen. Dies bewog mich, gemäss Artikel 32 BBV von 2005 bis 2006 ein EFZ als Gebäudereiniger am CEPM (Centre d'Enseignement Professionnel de Morges) und an der Maison de la propreté zu erlangen. Als Unternehmensleiter schien es mir wichtig, ein Diplom zu haben, um gegenüber den Mitarbeitenden glaubwürdig zu sein. Nach über zehn Jahren Arbeit auf Baustellen verfügte ich über viel Berufserfahrung.

Würden Sie Ihren eigenen erwachsenen Angestellten empfehlen, einen Berufsabschluss zu erwerben? 
Ja, einer guten Arbeitskraft, die noch keinen Abschluss hat, würde ich dies unbedingt empfehlen. Es ist eine gute Chance, neue Kompetenzen zu erwerben oder bereits bestehende zu validieren. Und der Aufwand ist durchaus zu bewältigen: In meinem Fall handelte es sich um einen halben Tag pro Woche, an dem ich Kurse besuchen musste. Und da die Absolventinnen und Absolventen, die ihren Berufsabschluss über einen Weg ohne Lehrvertrag machen, in der Regel seit Jahren auf dem Beruf arbeiten, sind viele Kenntnisse und Erfahrungen bereits vorhanden, was im Unterricht hilft. 
So oder so: Am Ende ist es Gold wert, einen Abschluss in der Tasche zu haben. Aber – und das darf man nicht vergessen – auch die Arbeitgeber profitieren. 

Inwiefern? 
Als Unternehmer weiss ich, wie wichtig gute und gut ausgebildete Angestellte sind. Berufsleute, die über fundierte Grundlagen verfügen, können qualitativ hochwertigere Resultate abliefern und selbstständiger arbeiten. So spare ich sehr viel Zeit und Geld, weil ich als Vorgesetzter nicht andauernd erklären, korrigieren und kontrollieren muss. 
Des Weiteren geht es aber auch darum, guten Arbeitnehmenden Perspektiven zu bieten, um sie in der eigenen Firma zu halten und um damit den Know-how-Verlust möglichst klein zu halten. Schliesslich darf man auch den Aussenauftritt des Unternehmens nicht vergessen: Das Vertrauen der Kundinnen und Kunden in ein verantwortungsbewusstes Unternehmen, das Mitarbeiter ausbildet und fördert, ist grösser, als in ein Unternehmen, das immer neue und immer möglichst billige Arbeitskräfte anstellt. 

Ist eine Ausbildung aber nicht auch eine Belastung, die sich auf die Arbeitsleistung des Angestellten auswirken kann? 
Aus meiner Erfahrung sollte dies nicht der Fall sein. Der Vorteil der erwachsenenspezifischen Wege ohne Lehrvertrag ist ja gerade, dass die Arbeitnehmenden ganz normal weiterarbeiten und die Qualifikation berufsbegleitend erwerben. Natürlich braucht es einen zusätzlichen Effort der angestellten Person. So braucht es beispielsweise viel Disziplin, um sich an den Abenden und am Wochenende die Zeit fürs Lernen zu nehmen. Dies ist gerade dann belastend, wenn man – wie ich damals – eine Familie mit kleinen Kindern hat. Aber die Zeitspanne der zusätzlichen Belastung ist überschaubar und wirkt sich wohl nur in den wenigsten Fällen auf die Arbeitsleistung in der Firma aus.

Wie unterstützen Sie Ihre Angestellten, die im Erwachsenenalter einen Berufsabschluss machen möchten? 
Das Wichtigste ist zuallererst, die richtigen Arbeitnehmenden zu erkennen und zum Berufsabschluss zu motivieren. Nicht jeder Berufstätige bringt die richtigen Voraussetzungen mit. Wie die Unterstützung danach im Einzelnen aussieht, ist je nach Situation der Firma und des Mitarbeitenden zu entscheiden. Mir hat mein Arbeitgeber die Kurse bezahlt und erlaubt, die Kursbesuche als Arbeitszeit zu erfassen. So musste ich mir nur noch meine Arbeit gut einteilen und war nicht gezwungen, Ferientage für die Ausbildung zu verwenden. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich meine Angestellten im gleichen Rahmen unterstütze, wenn sie einen Berufsabschluss machen möchten. 
 

Patrick Hulmann

Alter: 47
Position:

Direktor der Reinigungsfirma
Netatec Services SA

Voraussetzungen für einen Berufsabschluss im Erwachsenenalter

In der Schweiz gibt es rund 250 verschiedene berufliche Grundbildungen. Auch im Erwachsenenalter können Sie in jedem Beruf ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder ein eidgenössisches Berufsattest (EBA) erlangen.

Um einen Berufsabschluss zu erwerben, brauchen Sie folgende Voraussetzungen:

  • Gute Kenntnisse einer Landessprache
  • Gute Grundkompetenzen
  • Motivation und Durchhaltewillen


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